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Praktische Umsetzung

Ein Bericht von Ruth Brechbühl zur praktischen Umsetzung der finanziellen Hilfe

24. Oktober 2024 

 

Spesenfreie Umsetzung

Als Verein „Levanta“ versprechen wir, dass jeder Spendenrappen spesenfrei dort ankommt, wo er hingehört. Für unsere Syrienhilfe bedeutet dies, dass wir die Gelder immer direkt – von Hand zu Hand – übergeben. Und das heisst: entweder laden wir Huda Madani oder ihre Tochter Elsa Boghos zu uns in die Schweiz ein, oder wir fliegen persönlich zumindest nach Beirut, wo Elsa es mit in ihr Land nehmen kann. Dass die Reise- und Beherbergungskosten dabei zu unseren persönlichen Lasten gehen, versteht sich von selbst. Es ergeben sich daraus keine Spesen für Levanta.

 

Im Jahr 2024 konnten wir auf diese Weise dreimal einen Geldtransfer durchführen.

  • Im Frühling war die Jazzband Lucerne-Beirut-Connection (LBC) in der Schweiz. Elsa Boghos begleitete die Band und bei ihrer Rückreise konnten wir ihr Spendengelder mitgeben.
  • Vom 24. Mai 2024 bis am 14. Juni durften wir Huda Madani bei uns begrüssen. Sie war 2010 – also vor dem Krieg – das letzte Mal unser Gast. Wir nutzten die 22 Tage und besuchten dabei nicht nur die Spenderkirchen in Küsnacht/ZH, Sursee und Sarnen, sondern weitere regelmässige Spender*innen und schafften so einen persönlichen Kontakt: wir kennen einander von Angesicht zu Angesicht. Dies schafft gegenseitiges Vertrauen, das bei dieser Art von Arbeit für uns sehr wichtig ist.
    Selbstverständlich sollte dieser Besuch in der Schweiz Huda auch eine „Verschnaufpause“ sein, also boten wir ihr Orte und Momente des Friedens und der Ruhe, seien es die Freiberge, die Fürenalp, das Stanserhorn, die Musenalp oder erst recht auch die Musik. Wir spürten, wie sehr die Situation in ihrem Land ihr wirklich zusetzt. Friede bei uns, wohin wir auch schauen, Elektrizität und Wasser, wann immer wir es brauchen, Essen, wonach uns gerade gelüstet. Müde, aber glücklich schickten wir sie wieder heim zu ihrer Familie, auch sie mit Spendengeldern von Levanta für ihre Projekte.
  • Vom 21. Oktober 2024 bis am 23. Oktober reiste ich nach Beirut. Beirut deshalb, weil ich kein syrisches Visum hatte und es unklar ist, wie die Situation in dieser Gegend sich entwickeln wird. Zwei Nächte nur, um die Freund*innen in der Schweiz nicht länger zu beunruhigen. Huda konnte bei ihrem Aufenthalt ja nicht alle unsere Spenden mitnehmen. Diese kurze Zeit reichte, um alles dorthin zu bringen, wo es hingehört. Dabei konnte ich nicht nur die ganze Boghos-Madani-Familie sehen, sondern auch freiwillige Helfer*innen beim Erdbeben in Jablé: Aalja und Muhammed aus dem Libanon, die Schweizerin Alfreda: sie kamen aus eigenem Antrieb und mit eigenen Geldern, konnten aber bei der Familie logieren.
    Spannende Gespräche über unsere Versuche, Leid zu lindern führten uns durch meinen zweiten und letzten Abend. Wir waren uns einig: alles, was wir tun, ist ein Tropfen auf einen heissen Stein. Aber wir alle wussten: auch ein Tropfen ist bedeutend mehr als gar keiner. Huda erwähnte das Kilo Reis pro Essenspaket: einer Grossfamilie dient es gerade einen Tag lang. Aber es dient. Oder sie erzählte von jenem Mann, der bei einer Verteilaktion von Poulet mit Tränen in den Augen sagte: wenn es hochkommt, gibt es bei uns einmal pro Jahr ein Poulet. Er war so dankbar und glücklich, erinnerte es ihn doch an Zeiten, in denen alles anders war. Ein Poulet reicht nicht nur, um den Magen zu sättigen: es schenkt Erinnerungen und erst recht Dankbarkeit. Dankbarkeit auch dafür, dass sie nicht einfach von allen vergessen sind.

Deshalb brauchen wir weiter Spenden.

Wir danken von ganzem Herzen im Namen der Empfänger*innen. 

 

 

Huda (hintere Reihe, zweite von links) in Küsnacht

Pfarrer Michel Boghos und seine Frau Huda Madani

Huda (erste von rechts) mit Helfer und Helferinnen in Beirut


Jahresbericht 2023

In unserem Jahresbericht können Sie alles über unsere vielfältigen Aktivitäten erfahren.

 

Download Jahresbericht

 


Nahostreise

12. September – 29. September 2023

 

Im September verbrachten Ruth Brechbühl und Jürg Habegger, zwei der drei Vorstandsmitglieder von „Levanta“, fast drei Wochen im Nahen Osten. Hier folgt ihr Bericht zu ihrer Reise.

 

Ziel der Reise war Syrien und dabei hatten wir drei Interessen:

Wir wollten:

  • Hilfsgelder von „Levanta“ dorthin bringen, wo sie hingehören.
  • unsere dortigen Projekte mit eigenen Augen sehen: Hilfe für die Erdbebenopfer in Jablé, das Verteilen von „food-baskets“, Schuhen und Schulmaterial für Kinder 
  • die Tagesstätte für Kinder mit Down-Syndrom (Trisomie 21) besuchen. 

 

Wir hatten auch private Gründe für unsere Reise; wir wollten unsere alten Freundinnen und Freunde in Syrien und im Libanon wiedersehen und ein Konzert der Jazzformation LBC (Lucerne-Beirut-Connection) besuchen. Wurde doch LBC durch Elsa Boghos’ Besuch bei uns in der Schweiz gegründet und hat in diesem Jahr am Ostersamstag in Küsnacht ZH den Gottesdienst zugunsten der Erdebenopfer begleitet (siehe Bisherige Veranstaltungen).

Für uns waren es auch „Ferien“ und da versteht es sich von selbst, dass alle Ausgaben zu unseren persönlichen Lasten gingen. 

 

Vorweg die guten Nachrichten: Unsere Spenden sind dort angelangt, wo sie hingehören. Elsa Boghos war (als Tourenmanagerin von LBC) die ganze Zeit in Beirut. Ihre Eltern, Pfr. Michel Boghos und Huda Madani, sowie Elsas Ehemann Naji Abdelnour reisten für unsere letzten beiden Tage nach Beirut. Dadurch hatten wir Zeit für wichtige Gespräche, die über unsere regelmässige Kommunikation via WhatsApp hinausgingen. Wir konnten spüren, wie es ihnen persönlich geht, worunter sie leiden, erfuhren dabei mehr über die aktuelle Situation der notleidenden Menschen in Syrien.

 

Nachfolgend nun einige Informationen zu den Projekten:

 

Erdbebenhilfe

Der Schock nach dem Erdbeben vom 6. Februar 2023 war gross. Die Angst vor Nachbeben war riesig und es war zudem bitterkalt. Huda und ihre Familie haben seit 2011 „Felderfahrung“ und wissen, was in solchen Fällen gerade Not tut: Zuerst braucht es dringend Decken und warme Kleider für die Obdachlosen. Sandwiches für die Kinder auf der Strasse. Essenspakete für die Familien. Dann aber auch – zusammen mit anderen Helfenden – via social media versuchen, die Sanktionen aufzuheben, damit Hilfsgüter ins Land kommen können. (Die Sanktionen wurden dann lediglich für 6 Monate ausgesetzt. Jetzt sind sie wieder wirksam.) Nicht zu vergessen: Es gibt fast keinen Strom, kaum Erdöl und vor allem keine Maschinen, um Verschüttete zu bergen.

 

Als weitere freiwillige Helfer*innen vor allem aus dem Libanon kamen, galt es, diese zu instruieren und ihnen zu helfen, ihre eigenen Projekte umzusetzen, wie beispielsweise das Organisieren einer Feldküche. Unsere Partner*innen haben diese auch privat beherbergt.

 

Selbstverständlich gehörte immer auch die medizinische Betreuung dazu (Bild 1: Mobilität dank Rollstuhl). Medikamente für chronisch Kranke (sofern erhältlich) beschaffen und lebensnotwenige Operationen durchführen.

 

Später dann ging es darum, einer Schneiderin eine Nähmaschine zu kaufen, damit sie ihre Familie ernähren kann, oder einen Raum zu organisieren, den der Autowäscher nutzen kann. Neuen Wohnraum suchen und vor allem bei den Mietverträgen helfen.

 

Und immer wieder: Essenspakete verteilen. Schuhe und Schulmaterial für die Kinder zur Verfügung stellen. (Bild 2: Schuhe für Kinder)

 

Dass Hilfebringen nicht immer ungefährlich ist, musste Huda am eigenen Leib erfahren: sie, die ja sehr hundeaffin ist, wurde durch ein Tier überrascht. Es biss sie in die Wade. Der Hund war nicht geimpft und weit und breit war keine Starrkrampfimpfung zu finden…

 

Dauerhilfe

„Die Menschen bitten oder betteln nicht mehr um Unterstützung, sie schreien.“ sagt Elsa. Und wirklich: die Inflation ist horrend. Zwiebeln oder Kartoffeln können fast schon mit Gold aufgewogen werden. Selbst  unsere Freundinnen und Freunde machen gewaltige Abstriche, was den täglichen Bedarf angeht.

Naji sagt: „Früher assen wir sicher einmal pro Woche Fleisch, heute höchstens noch einmal im Monat.“ Huda erhielt vor dem Krieg für ihre 40 Jahre als Lehrerin vom Staat eine Pension von $ 50 pro Monat. Heute sind es noch 190‘000  syrische Pfund, was 14 $ entspricht. 1 Kilo Rindfleisch kostet heute 160‘000 Pfund, was 12 $ entspricht. (1 Kilo Lammfleisch kostet zwischen 180‘000 und 200‘000 Pfund). (Wofür noch arbeiten gehen?!) Das Benzin ist rar, das staatlich subventionierte, das an bestimmten Tagen gekauft werden kann, ist nur noch Zweidrittel mal so teuer wie jenes auf dem Schwarzmarkt. Aber die Preise ändern fast schon täglich. Dies ist die Situation für den früheren „Mittelstand“.  Alle anderen Syrer*innen, die nicht zum Polit-Establishment gehören, sind langsam am Verhungern.

Also geht die Hilfe hier weiter mit Essenspaketen: Huda kennt „ihre Familien“, wird dabei unterstützt von ihren Helfer*innen vor Ort, und fragt nach: Was braucht ihr im Moment dringend? Die Antworten: Kartoffeln und Öl oder Zucker und Öl (Bild 3: Essenspakete für Familien). Der Zucker süsst den Tee und den Mate, die in der kalten Jahreszeit etwas wärmen.

 

Auch die medizinische Versorgung geht individuell weiter, Milch für Kleinkinder sind von Nöten, Schuhe und Schulmaterial für die Kinder, Kleider, allfällige Kleinprojekten stehen manchmal an. Bezahlte Arbeit ist schwer zu finden ohne die notwendigen „Beziehungen“ … eine Sisyphusarbeit, ein Fass ohne Boden.

 

Tagesstätte für Kinder mit Downsyndrom

Als Huda eines Tages beim Verteilen von Hilfsgütern in einem ihr bis dahin unbekannten Dorf in der Nähe war, sah sie unstatistisch ausserordentlich viele Kinder mit Downsyndrom auf der Strasse. Als Lehrerin kann sie keine Kinder leiden sehen, denn es war ihr sofort klar: die Eltern dieser Kinder sind überfordert. Ein paar Tage später trifft sie im Nachbardorf auf die gleiche Situation (als Grund für die Häufigkeit vermuten wir Inzest). Also organisierte sie sich vor einem Jahr einen leerstehenden Kindergarten und fand eine diplomierte Frau für die Ausbildung von Kindern mit Downsyndrom sowie weitere Helfer*innen. 

Diese Kinder werden nun professionell ausgebildet, erhalten mittags etwas zu essen, haben Spass miteinander. Huda besucht sie von Zeit zu Zeit mit ihrem Akkordeon und singt und tanzt mit ihnen. Für Huda sind diese Momente Balsam für die Seele, denn diese Kinder danken es ihr mit einem herzlichen Lächeln und einer liebevollen Umarmung (Bild 4: Unterstützung in der Tagesstätte für Kinder mit Downsyndrom).

 

 

Huda und ihre Familie verdienen unseren herzlichen Dank für ihre grosse Arbeit!

 

 

Ruth Brechbühl und Jürg Habegger

 

 

 

Mit Ihrer Spende können Sie direkt

zur dringend benötigten Hilfe in Syrien beitragen!

 

 

Bild 5: Unsere persönliche Einladung für die Familie Boghos in Beirut